Das besinnungslose Grundeinkommen

Quelle: fassadenkratzer.wordpress.com

Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) gewinnt immer mehr Befürworter. In der Schweiz erreichten mehrere Initiativen, dass nun am 5. Juni 2016 eine Volksabstimmung darüber stattfindet. Das Konzept bedeutet, dass der Staat jedem Bürger ohne Prüfung der Bedürftigkeit, also dem Milliardär wie dem armen Schlucker, regelmäßig eine für jeden gleiche Grundsicherung auszahlen soll, ohne dass dafür eine Gegenleistung erbracht werden muss.

Die Idee gab es schon vereinzelt im 19. Jahrhundert, sie erhielt aber erst Ende des 20. Jahrhunderts zunehmenden Auftrieb, als sich für viele Menschen deutlich abzeichnete, dass die unaufhörlich voranschreitende Automatisierung in der Wirtschaft immer mehr Menschen aus dem gewohnten Arbeitsprozess ausscheidet. In der Tat werden alle reproduzierbaren, also in gleicher Weise wiederholbaren Arbeitsabläufe unaufhaltsam von Maschinen, Automaten, Robotern übernommen werden, die sie präziser, schneller und billiger erledigen können.

Die soziale Brisanz dieser sich beschleunigenden Entwicklung wird von Politik und Gesellschaft noch viel zu wenig wahrgenommen. Verschiedene wissenschaftliche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass bereits in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren zwischen 45 und 62 % der heutigen Arbeitsplätze wegfallen werden. Das Forschungsinstitut ZEW stellt in einer Studie aus dem Jahr 2014 die Prognose auf, dass in Deutschland rund 18 Millionen Jobs von der Einführung von Automatisierungs-Technologien betroffen sein werden. Bei 43 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland wären dies 42 %.Sicher entstehen in diesem Prozess auch neue Arbeitsplätze, aber nur zu einem geringen Teil und auch nur für Höherqualifizierte. Die bereits 1995 von Jeremy Rifkin, in seinem Buch „Das Ende der Arbeit“ prognostizierte 20 : 80 Gesellschaft, in der 80 % der arbeitsfähigen Menschen arbeitslos sein werden und mit „Tittytainment“ bei Laune gehalten werden müssten, scheint sich also immer mehr zu realisieren.

Insofern ist es tief verständlich, wenn sich zunehmend Menschen Gedanken über die Lage der Arbeitslosen und eine Verbesserung des vielfach unzureichenden und entwürdigenden staatlichen Sozialsystems machen. Die Frage ist nur, ob mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen der richtige Weg eingeschlagen wird.

Erwartungen

Die Vertreter des Bedingungslosen Grundeinkommens haben die Erwartung, dass es jedem Menschen ermögliche, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Es schaffe die Voraussetzung, frei von Existenzsorgen ganz oder teilweise einer selbst gesuchten Erwerbsarbeit nachzugehen. Niemand könne mehr auf Grund einer Notlage ausgebeutet und zu sinnlosen, entwürdigenden Arbeiten gezwungen werden. Oder man könne in freier Weise Tätigkeiten im Sozialen, in Kunst, Wissenschaft, Bildung oder Umwelt übernehmen, die nicht als Erwerbsarbeit entlohnt werden. So eröffne sich ein Feld individueller Freiheit und Selbstverwirklichung. Es erhöhe sich die individuelle Risikobereitschaft des Menschen, selbst gesetzte Ziele zu verfolgen. Selbständigkeit und Unternehmergeist und damit Innovation und Flexibilität würden gefördert.

„Der Sinn des Arbeitens ändert sich: Nach Einführung eines bedingungslos an alle ausgegebenen Grundeinkommens geht es beim Arbeiten nicht mehr um die Sicherung der Existenz, sondern – wesentlich bedeutsamer: um den Sinn der Arbeit selbst und damit verbunden: um Steigerung der Lebensqualität – sei dies die eigene oder die der Gemeinschaft. –  Sozial ist nicht mehr, was Arbeit schafft, sondern, was Freiheit schafft – und damit die Freiheit, das zu tun, was man selbst für nötig und für richtig hält.“  2

Auch für den Arbeitgeber bringe das BGE große Vorteile. Er müsse bei der Entlohnung nicht mehr die Grundbedürfnisse der Mitarbeiter finanzieren, da sie durch das – von der Wirtschaft aufgebrachte – Grundeinkommen schon finanziert seien. Produzierende Betriebe könnten zur Effizienzsteigerung ohne soziale Bedenken rationalisieren, denn sie entließen die Menschen in eine sich entwickelnde „Kulturlandschaft“ und nicht mehr ins „soziale Nichts“.2

Illusionen

Das gesunde soziale Leben beruht auf Gegenseitigkeit. Der Mensch arbeitet in der heutigen arbeitsteiligen Wirtschaft, auch wenn sein Bewusstsein egoistisch auf den Erwerb des Einkommens gerichtet ist, im Grunde nicht für sich selbst, sondern für andere, um deren Bedürfnisse zu befriedigen. Und andere arbeiten für ihn. Um aber arbeiten zu können, braucht jeder als Gegenleistung ein Einkommen, von dem er leben kann, denn sonst ist er auch nicht imstande, für andere zu arbeiten.

Nur am Anfang und am Ende des Lebens sowie im Krankheitsfall benötigt der Mensch ein leistungsloses Einkommen, da er auf Hilfe und Fürsorge angewiesen ist. Aber das Kind, das die Zukunft der Gemeinschaft bedeutet, gibt es den Eltern und der Gesellschaft im Normalfall später wieder zurück; und der Alte hat sich vorher durch die Mitunterstützung der Kinder, Alten und Kranken ein Anrecht darauf erworben. Wenn der größte Teil der arbeitsfähigen Menschen, schließlich gar 80%, auf ein arbeitsloses Einkommen angewiesen ist, ist das ein kranker Zustand. Sie sind nicht frei, sondern vom Staat und der ihn beherrschenden Kaste abhängig. Darauf das gesellschaftliche Leben aufzubauen, kann nicht normal und gesund sein.

Einer der wortmächtigsten Vertreter des BGE, der Gründer und langjährige Leiter der Drogeriekette dm sagte zutreffend:

Der Staat ist Schulunternehmer, Universitätsunternehmer, Krankenhausunternehmer, Sozialhilfeunternehmer. All das lähmt die Initiative der Bürger. Um Selbstorganisation und Verantwortungsübernahme zu stärken, brauchen wir einen Systemwechsel, der aktiviert und nicht passiviert.“

Eben, das gilt auch für das staatliche Füllhorn des BGEs. Eine große Mehrheit der Gesellschaft wird gleichsam zu hilfsbedürftigen Kindern, für die Vater Staat das Nötige von Mutter Wirtschaft holt und sein Füllhorn bedingungs- und unterschiedslos über alle ausschüttet, auch auf die Unternehmer und Arbeitenden, die es erwirtschaftet haben. Es ist ein absurdes Schlaraffenland, in dem der Mensch selbstbezogen seiner „Selbstverwirklichung“ nachgeht. Sicher werden die meisten noch hinzuverdienen und ein Voll- oder Teilzeit-Arbeitsverhältnis eingehen wollen. Aber damit treten sie, soweit überhaupt noch erreichbar, in das alte Verhältnis des Abhängig-Beschäftigten, das zentrale Problem der Lohnsklaverei, das auch vom BGE nicht angegangen wird.

„Der heutige wirtschaftliche Liberalismus baut philosophisch auf dem Egoismus auf: Wenn jeder dem eigenen Nutzen folge, erreiche man das größte gesellschaftliche Wohl. Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine Antithese dazu: Wenn wir den Altruismus vorgeben (das Grundeinkommen schenken), erreichen wir das größte gesellschaftliche Wohl. Beide Auffassungen machen sich nicht daran, die Arbeits- und Lohnverhältnisse menschlich zu gestalten.“ 4

Die vorausgesetzte Arbeitslosigkeit

Die Vertreter des Bedingungslosen Einkommens lassen nicht nur das soziale Kernproblem der Lohnsklaverei wie es ist; sie setzen auch die unaufhörlich wachsende Arbeitslosigkeit als feststehend  voraus. Das ist sie aber nur, wenn man das kapitalistische profitorientierte Wirtschaftssystem unangetastet lässt, in dem lediglich eine bestimmte Form organisierter Arbeit mit einem Einkommen verbunden ist.

Arbeit als eine zielgerichtete körperliche oder seelisch-geistige Tätigkeit dient der Befriedigung nicht nur materieller, sondern auch seelischer und geistiger Bedürfnisse des Menschen. Buchhandlungen, Theater, Schulen z.B. erfüllen seelisch-geistige Bedürfnisse. Es gibt aber auch unzählige soziale und kulturelle Arbeiten, die heute ohne Einkommen geleistet werden, oder eben deswegen zum Schaden der Menschen unterbleiben. Um Arbeit leisten zu können, bedarf es immer bestimmter Fähigkeiten, die je nach Art der Arbeit besonders geschult und entwickelt sein müssen. Arbeit bewegt sich also stets zwischen Fähigkeiten und Bedürfnissen. Der Mensch steht daher bei der Wahl seiner Arbeit in der Gesellschaft ständig zwischen dem individuellen Pol der eigenen Fähigkeitsintention, die seine Selbstverwirklichung ausmacht, und dem gesellschaftlichen Pol der Bedürfnisse anderer, deren Befriedigung das Gesamtwohl bedeutet.

In einer menschlichen Gemeinschaft sind also Bedürfnisse und Fähigkeiten aufeinander bezogen. Und man kann davon ausgehen, dass für jedes menschliche Bedürfnis auch irgendwo eine tatsächliche oder latente menschliche Fähigkeit vorhanden ist, es zu befriedigen, und dass umgekehrt jeder Fähigkeit ein Bedürfnis gegenübersteht. Danach dürfte es prinzipiell keine Arbeitslosigkeit geben. Tritt sie auf, bedeutet das, dass einerseits Arbeit irgendwo fehlen muss, also Bedürfnisse nicht befriedigt werden, und andererseits Fähigkeiten da sind, die sich nicht entfalten können. Auf diesen Zusammenhang hat bereits Rudolf Steiner 1920 in einem Aufsatz knapp hingewiesen:

„Arbeitslosigkeit! Menschen können nicht Arbeit finden! Sie muss aber doch da sein, denn die Menschen sind da. Und es kann im gesunden sozialen Organismus die Arbeit, die nicht getan werden kann, nicht eine überflüssige sein, sondern sie muss irgendwo fehlen, muss irgendwo fehlen!(Hervorhebung R. Steiner) Soviel Arbeitslosigkeit, soviel Mangel.“ 5

Wo Menschen zusammenleben, gibt es sowohl Bedürfnisse, als auch Fähigkeiten, sie durch Arbeit zu befriedigen. Werden Menschen arbeitslos, wird ihre bisherige Arbeit an einem bestimmten Ort nicht mehr gebraucht. Das bedeutet aber nicht, dass die in ihren Fähigkeiten liegende potentielle Arbeit überflüssig ist. Sie wird irgendwo anders in vielleicht nur anderer Form benötigt, weil Menschen da sind und da sein müssen, die ein entsprechendes Bedürfnis haben. Hohe Arbeitslosigkeit bedeutet also, dass eine hohe Zahl von Bedürfnissen nicht befriedigt wird, dass insofern ein großer seelischer oder geistiger Mangel herrscht.

Können Menschen ihre Fähigkeiten nicht in einer Arbeit einsetzen, sind sie also arbeitslos, so deshalb, weil ihre Arbeit nicht zu den entsprechenden Bedürfnissen geleitet wird, sei es, weil diese aus individuellen Gründen nicht wahrgenommen werden, oder ihre Wahrnehmung verhindert wird, z. B. dadurch, dass nur diejenigen ein Einkommen erhalten, die für bestimmte Bedürfnisse arbeiten. „Arbeitslosigkeit kann nur die Folge ungesunder Wirtschaftsverwaltung sein“, schreibt Rudolf Steiner lapidar. 5

Die anschwellende Automatisierung menschlicher Handarbeit durch Maschinen ist an sich ja kein Unglück, im Gegenteil. Die Menschen werden dadurch vielfach von der Fron stupider Arbeiten befreit. Sie werden frei für andere, höhere, kulturelle Bedürfnisse, die sie bisher unterdrücken mussten oder die sich noch gar nicht in ihnen regen konnten. Und sie werden frei, ihre Fähigkeiten zur Befriedigung solcher Bedürfnisse Anderer einzusetzen. Wir stehen eigentlich in einem gewaltigen historischen Umbruch der Verlagerung menschlicher Arbeit auf eine höhere menschliche Ebene, die durch die Automatisierung ermöglicht wird. Und die Frage stellt sich, wie das zu organisieren und zu finanzieren ist. Es wird nicht punktuell, sondern nur durch eine Besinnung auf die Gesamtheit des gesellschaftlichen Organismus lösbar sein.

Der Zusammenhang des Ganzen

Wir sahen, dass die Bedingungen der irdischen Existenz des Menschen vielfältige materielle, seelische und geistige Bedürfnisse hervorrufen. Um sie zu befriedigen, entwickelt der Mensch physische, seelische und geistige Fähigkeiten, die im Geistesleben, insbesondere in seinem Kernbereich, dem Bildungswesen, geschult und ausgebildet werden. Aus den Bedürfnissen des Menschen geht das Wirtschaftsleben, aus seinen Fähigkeiten das geistig-kulturelle Leben und aus dem Streben nach einem Gemeinschaftsleben, das auf Gleichheit und Gerechtigkeit beruht, wächst das staatlich rechtliche Leben hervor.

In diese drei Lebensbereiche gliedert sich die Gesellschaft, die in ihrem Zusammenspiel einen lebendigen Organismus bildet. Die Wirtschaft als das materielle Werte schaffende System unterhält finanziell Staat und Geistesleben; das Recht des Staates durchdringt Ordnung stiftend Wirtschaft und Geistesleben; und dieses wiederum befruchtet Wirtschaft und Staat unaufhörlich mit erneuernden Ideen und Fähigkeiten, ohne die es nur den Stillstand des Gewordenen gäbe. Diese wechselseitige Erhaltung und Befruchtung funktioniert aber nur ungestört, wenn jeder Bereich nicht von den anderen dominiert und unterdrückt wird, sondern sich in einer relativen Unabhängigkeit entfalten kann. Der heutige Einheitsstaat, der alles in sich schließt und in die anderen beiden Bereiche in obrikeitsstaatlicher Manier noch immer inhaltlich bestimmend hineinwirkt, muss daher entsprechend aufgegliedert werden, indem das Wirtschafts-und Geistesleben neben dem Staat eine je eigene Selbstverwaltung erhalten (vgl. Der Mensch als Maß).

Das heutige Wirtschaftsleben befriedigt nur einen Teil der Bedürfnisse des Menschen, überwiegend die aus der körperlichen Existenz hervorgehenden nach Nahrung, Kleidung, Wohnung, Fortbewegung usw. Dieses Wirtschaftsleben hält heute aus egoistischem Gewinnstreben oder exis­tenzieller Not das Bewusstsein des Menschen völlig besetzt. Indem sich der Mensch um die Sicherung und den Komfort seiner physischen Existenz bemüht, unterscheidet er sich indessen nicht prinzipiell von dem des Tieres, sondern nur durch die ungeheure gedankliche Raffinesse, durch die er seine Bedürfnisse befriedigt. Während sich das Leben des Tieres aber in der Sicherung seiner irdischen Existenz erschöpft, bildet das Wirtschaftsleben des Menschen erst die Grundlage, um darauf sein eigentliches Menschsein, seine seelisch-geistige Entwicklung, entfalten zu können. Die kulturelle Höhe eines Volkes hängt davon ab, wie stark dieses seelisch-geistige Leben als das Wesentliche im Bewusstsein der Menschen lebendig ist. Wird ihr Bewusstsein weitgehend vom äußeren wirtschaftlichen und dem ihm dienenden politischen Leben beherrscht, wird es an die materielle Außenseite des Lebens gefesselt und von seinen inneren Quellen abgeschnitten. Der Mensch führt dann im Grunde nur das Dasein eines mit Verstand begabten höheren Tieres.

Die Herausforderung der unaufhaltsam anschwellenden Automatisierung bietet die Gelegenheit, aus dieser Sackgasse herauszukommen, indem die Menschen weitgehend von der materiellen Bedürfnis-Befriedigung freigestellt werden und sich der Befriedigung der seelischen und geistigen Bedürfnisse zuwenden können. Dazu müssen vom Wirtschaftsleben entsprechende Finanzmittel in das soziale und geistig-kulturelle Leben fließen, mit denen neue Arbeitsplätze, die mit Einkommen verbunden sind, geschaffen und bestehende mit Einkommen verbunden werden können. Dieser Finanzfluss darf aber nicht wie heute über die Steuern des Staates laufen, der dadurch wieder bestimmenden Einfluss ausübt, sondern muss direkt zur Selbstverwaltungsorganisation des Geisteslebens fließen.

Diese Finanzierung hat ihre tiefe Berechtigung darin, dass die Fähigkeiten, die in der Wirtschaft gebraucht werden, in den Schulen und Hochschulen des Geisteslebens entwickelt und ausgebildet werden. Natürlich werden sie in den Betrieben weiter spezialisiert, setzen aber ihre Grundlegung voraus. Die Wirtschaft lebt also von dem, was im Geistesleben entwickelt worden ist. Und ihre Gewinne sind ohne die in Schulen, Fachhochschulen und Universitäten gebildeten Fähigkeiten der Menschen, ohne die damit entwickelten und konstruierten Maschinen und die Durchrationalisierung der betrieblichen Abläufe nicht denkbar.

Daher müssten die Unternehmen auch den Großteil ihrer Gewinne direkt an das Geistes- und Kulturleben abgeben, nicht nur als Gegenleistung für das bisher Erhaltene, sondern auch zur Weiterentwicklung des Bildungswesens in der Zukunft, von der die Unternehmen in ihrer eigenen Existenz und Entwicklung selber abhängig sind. Dies umso mehr, als durch die Automatisierung Personalkosten in erheblichem Umfang weggefallen sind und weiter wegfallen werden, an deren Stelle die Investitionen für die Maschinen nur einen Bruchteil ausmachen. Das Verhindern von längerfristiger Arbeitslosigkeit ist für die Unternehmen der Wirtschaft schließlich von höchstem Eigeninteresse, denn Maschinen kaufen nichts.

Der Kernpunkt der sozialen Problematik

Dieser gesamtgesellschaftlichen Lösung stehen Macht und Eigennutz der Eigentümer am Kapital der Unternehmen entgegen. Die bisherige Form des Eigentumsrechts macht sie zu unumschränkten Herren über den Betriebsablauf und die Arbeitnehmer zu Abhängig-Beschäftigten mit der Funktion möglichst kostengünstiger Produktionsfaktoren. Und der Eigentümer hat den alleinigen Anspruch auf den Gewinn des Unternehmens, aus dem die alles beherrschende Profitgier auf Kosten aller anderen hervorgeht, die dem Wirtschaftsgeschehen „den Wolfsgeruch einer inhumanen und über Leichen gehenden Kampfgesellschaft“ (Wilhelm Hankel) verleiht.

Der usurpierte Gewinn in den Händen weniger verschafft ihnen riesige Vermögen, die sich durch weitere System-Elemente leistungslosen Einkommens wie Zins- und Zinseszins, Anlagen in rentablen Immobilien und Beteiligungen bei anderen Unternehmen über Aktien ohne eigene Arbeit ständig vermehren. Es erweitert sich so ihre wirtschaftliche Macht, die die Möglichkeit bietet, hinter den Kulissen oder über eigene Medienkonzerne die politische Macht maßgeblich zu beeinflussen, in ihren Dienst zu stellen oder auch direkt zu gestalten.

Die Gewinnsucht für die private Tasche verhindert schon, dass die Arbeitszeit für den Arbeitnehmer reduziert wird, was auf wenige Stunden täglich möglich wäre, ohne die Versorgung zu beeinträchtigen. Dadurch könnte die Arbeit auf mehr Schultern verteilt und die Arbeitslosigkeit bereits erheblich vermindert werden mit der Folge, dass dem arbeitenden Menschen viel mehr Zeit für andere und höhere Interessen bleibt.

Wenn das Eigentum an einer Sache solche gravierenden negativen Folgen hat, stimmt etwas nicht an seiner rechtlichen Konstruktion. Ein Wirtschaftsunternehmen ist keine Sache, die dem privaten Gebrauch und Verbrauch des Eigentümers, sondern gemeinsam mit notwendigen Mitarbeitern der Bedürfnisbefriedigung vieler anderer Menschen dient. Es hat also eine soziale, gesellschaftliche Aufgabe. Kapital als eine Sache mit hoher sozialer Relevanz darf nicht Gegenstand eines Privateigentums sein, über das ganz nach egoistischen persönlichen Interessen beliebig verfügt werden kann. Das Privateigentum verliert hier seinen eigentlichen Sinn und seine innere Berechtigung und muss durch neue Eigentumsformen jenseits eines Staatskapitalismus ergänzt werden, mit denen diese schädlichen Auswirkungen verhindert werden. Überlegungen mit Lösungsansätzen dazu habe ich hier u.a. angestellt: Die ungebändigte Macht des Kapitals.

Die Vertreter des Bedingungslosen Grundeigentums lassen ohne Besinnung auf die Ursachen der Probleme das kapitalistische System wie es ist und versuchen punktuell soziale Erleichterungen für die wachsende Zahl der Arbeitslosen. Die von ihnen erträumte „blühende Kulturlandschaft“ ist eine Illusion und wird die zentralen Ursachen nicht selbstlaufend lösen. Das Be(d)sinnungslose Grundeinkommen trägt letztlich nur zur Stabilisierung des sozial zerstörerischen Systems bei.

———————————
1   Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 30.4.16
2   http://www.buergerinitiative-grundeinkommen.de/
3   Götz Werner in: Freitag 3. November 2006, S. 3
4   Gerold Aregger in: GEGENWART, Ausgabe 1/12
5   Rudolf Steiner: „Arbeitslosigkeit“ in: Der Goetheanumgedanke inmitten
der Kulturkrise der Gegenwart, Dornach 1961, GA 36, S. 30

Ein Gedanke zu „Das besinnungslose Grundeinkommen“

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.